Kirgistan

Schönes Land – kaum Perspektiven für die Menschen

Wunderbare Landschaften prägen Kirgistan, das auch als «Zentralasiatische Schweiz» bezeichnet wird. Das Leben der Menschen allerdings ist hart, die wirtschaftliche Not gross. Unzählige Kirgisen suchen ihr Glück im Ausland, insbesondere in Russland. Ihre Überweisungen sichern das Überleben des Landes und der Angehörigen zuhause. Das Geld fliesst allerdings vor allem in den Konsum und wird nur selten investiert.

Politisch ist Kirgistan etwas freier als viele seiner Nachbarländer. Druck von der Strasse hat schon mehrmals zu Regierungswechseln geführt, insbesondere bei der so genannten Tulpenrevolution 2005. Eine Demokratie im westlichen Sinn ist Kirgistan allerdings nicht, vor allem wegen der grassierenden Korruption.

Kirgistan ist muslimisch geprägt. Das Recht auf Gewissens- und Glaubensfreiheit ist in der kirgisischen Verfassung verankert, doch gibt es gesetzliche Einschränkungen. Religiöse Gruppierungen müssen sich staatlich registrieren lassen, aber die Bedingungen dafür sind sehr schwierig. Begründet werden Einschränkungen mit dem Kampf gegen Extremismus, der den Staat bedrohe.

 

Unsere Hilfe in Kirgistan

Humanitäre Hilfe

  • Lebensmittel und Winterhilfe für bedürftige Familien, Rentner und Behinderte.

 

Ausführliche Informationen zu Kirgistan

Kirgistan
Kirgistan – auch Kirgisistan genannt – blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Einst war das Gebiet von Nomaden bevölkert, zeitweilig stand es unter der Kontrolle regionaler Fürsten und Mächte. Im 19. Jahrhundert geriet es in den Einflussbereich Russlands, 1918, nach blutigen Kämpfen, übernahm die UdSSR das Gebiet. Es folgten drastische Veränderungen, insbesondere wurden die nomadisch lebenden Kirgisen gezwungen, sesshaft zu werden. Wohlhabende Viehzüchter wurden geächtet, deportiert oder ermordet. Die Kirgisen – meistens Muslime – durften ihre Religion nicht mehr öffentlich ausüben, Moscheen wurden geschlossen. Manche kirgisischen Bräuche und Traditionen wurden verboten, Russisch wurde Amtssprache, Kirgisisch blieb Alltagssprache.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde Kirgistan 1991 unabhängig und entwickelte einen beispiellosen Reformkurs: von Plan- zu Marktwirtschaft, von Autoritarismus zu Demokratie. Die rasche Umstellung hatte eine Wirtschaftskrise zur Folge. 1995 galten 42 % der Kirgisen als arm. Die Wirtschaft war in den Jahren davor um 74 % geschrumpft. 1999 betrug das monatliche Einkommen pro Person etwa 14 Euro.

Politisch galt das unabhängige Kirgistan anfänglich als Insel der Demokratie, es etablierte sich ein parlamentarisches System. Bald aber verschob sich die Macht vom Parlament zum Präsidenten. Ein Verfassungsreferendum sollte dies 2003 wieder ändern, war aber erfolglos. In der Folge kam es zu Unruhen und 2005 zur so genannten Tulpenrevolution und zum Sturz des Präsidenten. 2010 folgten neue Unruhen und wieder ein Regierungswechsel. Bis heute ist das politische System instabil, die Macht hat mehrmals vom Präsidenten zum Parlament und wieder zurück zum Präsidenten gewechselt. Im Vergleich zu anderen zentralasiatischen Staaten erlaubt das politische System mehr demokratische Mitsprache. Hingegen ist Korruption weit verbreitet.

 

Grosse Armut und Armutsmigration
Kirgistan ist ein sehr armes Land, die Infrastruktur ist schlecht, die Kriminalität nimmt zu. Unzählige Kirgisen suchen ihr Glück im Ausland, allein in Russland gibt es etwas 800'000 arbeitstätige Kirgisen. Auch wenn sie zumeist im Billiglohnsektor tätig sind, überweisen sie doch jedes Jahr viel Geld in die Heimat. Ihre Überweisungen – um die 2,5 Milliarden US-Dollar jährlich – sind existenziell für das Land und die Angehörigen zuhause. Der Grossteil dieser so genannten Remissen fliesst in den Konsum oder in Hochzeitsfeiern und ähnliches, wird also nicht investiert. Weltweit ist kein anderes Land so extrem abhängig von den Zahlungen der Migranten wie Kirgistan.

Wer im Land arbeitet, ist meist beim Staat angestellt. Es gibt wenig private Firmen und es werden nur wenige gegründet. Die langfristige Strategie der kirgisischen Behörden zur Verbesserung der wirtschaftlichen Perspektiven besteht darin, die Arbeitsmigration weiter zu fördern und auszubauen. Das Land gedenkt noch lange vom Geld seiner Migranten zu leben.

 

Kinderarmut, Kinderarbeit, Kinderprostitution  
Über ein Drittel der kirgisischen Kinder wachsen in grosser Armut auf. Es kommt zu Todesfällen infolge Mangelernährung. Kinder leben auf der Strasse, wo sie als Verkäufer oder Lastenträger, als Prostituierte, mit Diebstahl oder anderen Gaunereien zu überleben versuchen. Manchmal schicken Behörden Strassenkinder an ihre Heimatadresse zurück oder stecken sie in staatliche Kinderheime. Über ein Viertel der Kinder arbeiten, beispielsweise in der Landwirtschaft, der Textilindustrie, auf dem Bau oder im Bergbau. Von allen osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern hat Kirgistan den höchsten Anteil arbeitender Kinder. Viele Arbeitsmigranten bringen ihre Kinder bei Verwandten unter; erwünscht sind sie dort aber meist nicht. Drei Viertel der kirgisischen Kinder erleben häusliche Gewalt, manche werden missbraucht. Manche Mädchen werden aus Armut sehr früh verheiratet.

Prostitution ist verboten, dennoch läuft das Geschäft. Immer mehr junge Mädchen arbeiten in der Sexindustrie. In Bischkek sind über 20 % der Prostituierten sehr junge Mädchen. Zunehmend werden auch Buben im Sexgeschäft ausgebeutet. Die Kunden, meist Geschäftsleute, wissen, wo sie für weniger als einen Dollar sexuelle Dienstleistungen von Schulmädchen bekommen.

 

Religion

Kirgistan ist muslimisch geprägt. Während der Sowjetära war die Ausübung jeder Religion stark eingeschränkt und so entwickelte sich ein volkstümlicher, wenig institutionalisierter Islam. Nach der Unabhängigkeit kam es zu einer Reislamisierung, angetrieben unter anderem durch Investitionen aus Saudi-Arabien und der Türkei. Gemäss Verfassung ist Kirgistan ein säkularer Staat, die Politik sucht einen moderaten, «kirgisischen» Islam zu fördern, um fundamentalistischen Strömungen vorzubeugen. Konservative Gruppierungen versuchen ihrerseits, ihren Einfluss zu vergrössern. Christen sind die zweitgrösste religiöse Gruppe, ein bedeutender Teil von ihnen ist russisch-orthodox. Obschon die Verfassung Religions- und Glaubensfreiheit garantiert, schränken Gesetze die Religionsausübung stark ein. Die (obligatorische) staatliche Registrierung zu erlangen, ist aufwändig und schwierig.

 

Menschenhandel

Kirgisen können ohne Visum nach Russland reisen. Auf der Suche nach Arbeit geraten viele in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse oder an Menschenhändler. Die Lage habe sich verschlimmert, sagt der Direktor einer Organisation, die sich in Bischkek um Opfer von Menschenhandel kümmert. Insbesondere junge Leute verlassen Kirgistan auf der Suche nach Arbeit, und die Fälle von Menschenhandel häufen sich. Kirgistan hat für 2017-2020 einen Plan zur Bekämpfung des Menschenhandels vorgelegt. Umgesetzt wurde aber kaum etwas, auch weil kein entsprechendes Budget gesprochen wurde. Verdächtige kommen straflos davon, Opfer werden kaum gefunden.

 

Chancen Kirgistans

Da es im gebirgig-schönen Kirgistan, auch «Schweiz Zentralasiens» genannt, an vielem fehlt, gäbe es viele Geschäftsmöglichkeiten, unter anderem im Tourismus, in der Gastronomie, in der IT-Branche. Es wären Alternativen zum Auswandern. Der Staat lässt Neugründungen zu, fördert sie aber nicht aktiv.

 

Quellen

Kirgisistan, www.liportal.de, 26.06.2020
Coronavirus infiziert Russen mit Armut, www.derstandard.at, 07.04.2020
Kirgistan abhängig vom Geld seiner Migranten, www.novastan.org, 26.10.2018
Kirgistan, www.humanium.org, 26.06.2020
Hilfe für die Kinder von Kirgistan, www.tagesschau.de, 03.06.2020
Kirgistan: Kampf gegen die Kinderarbeit, www.novastan.org, 02.12.2017
Auf der Flucht – Kirgisische Gastarbeiter in Russland, www.novastan.org, 23.08.2014
Menschenhandel: Die Situation in Zentralasien verschlechtert sich, www.novastan.org, 26.09.2018
Kirgistan: Die Start-ups von Bischkek, www.deutschlandfunk.de, 14.10.2017
Islam: „Kirgistan droht auseinanderzubrechen“, www.novastan.org, 28.02.2019

 

 

 

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