Moldawien
Europas Armenhaus im Spannungsfeld zwischen Ost und West
Moldawien ist das ärmste Land Europas. Die wirtschaftliche Lage ist trüb, die Aussichten sind schlecht. Auf der Suche nach Arbeit und Einkommen ziehen viele Moldawierinnen und Moldawier weg. Ganze Dörfer sind leer, die Einwohnerzahl ist rückläufig.
Zurück bleiben Alte, schlecht Gebildete – und unzählige Kinder. Wer im Ausland eine Stelle ergattert, zieht vorerst einmal alleine los. Nicht selten wird daraus ein Dauerzustand und so wächst eine Viertelmillion Kinder ohne Eltern auf. Sozialwaisen nennt man sie. Manche kommen bei Verwandten unter, andere sind mehr oder weniger sich selbst überlassen.
Seit der Unabhängigkeit 1991 tut sich Moldawien schwer damit, zwischen Ost und West seinen Platz zu finden. Mehrmals haben sich pro-europäische und russlandfreundliche Regierungen abgelöst. Das Gezerre zwischen beiden Seiten lähmt das Land.
Unsere Hilfe in Moldawien
Humanitäre Hilfe
- Lebensmittel, Winterhilfe und Kleider für Bedürftige und Behinderte
«Wir Kinder von Moldawien»
- Ganzheitliche Hilfe für verwahrloste Kinder
- Persönlichkeitsentwicklung für Schulabgänger und Unterstützung in der Berufswahl.
Menschenhandel
- Pflegeplätze in moldawischen Familien für gefährdete Heimkinder
- Förderung und Begleitung von Kindern aus schwierigen Familienverhältnissen
Gewerbeförderung
- Unterstützung der Bachelor Ausbildung für Studierende aus Moldawien und Zentralasien in den Fachgebieten Betriebswirtschaft, soziale Arbeit und Theologie.
- Aufbau von Familienbetrieben
- Förderung der beruflichen Entwicklung von Erwachsenen
- Schulung von Jugendlichen zur Berufsfindung
- Unternehmerseminare und Konferenzen
- Förderung von Zusatzeinkommen in ländlichen Gebieten
- Mikrokredite (noch offen)
Sommerlager
- Lager für Kinder und Jugendliche aus bedürftigen Familien und für Behinderte.
Ausführliche Informationen zu Moldawien
Moldawien, offiziell die Republik Moldau, ist das ärmste Land in Europa. Dabei war es einst die Kornkammer und eine der wohlhabendsten Teilrepubliken der Sowjetunion.
Kurz nach der Staatsgründung 1991 spaltete sich das pro-russische Transnistrien, ein schmaler Streifen am Ostrand des Landes, ab. Russland unterstützt die abtrünnige Region, international wird sie aber nicht anerkannt und Moldawien erhebt nach wie vor Anspruch auf das Gebiet. Eine gewisse Eigenständigkeit hat ausserdem eine von der Volksgruppe der Gagausen bewohnte Region im Süden des Landes.
Moldawien ist hin- und hergerissen zwischen Ost und West. Einerseits ist man von russischen Energielieferungen abhängig und Russland ist ein wichtiger Markt für moldawische Agrarprodukte. Andererseits sieht ein guter Teil der Bevölkerung ihr Glück eher in Europa bzw. der EU. Russlandfreundliche und pro-europäische Regierungen haben sich seit der Unabhängigkeit mehrmals abgewechselt.
Während sich viele streiten, gestalten reiche und einflussreiche Geschäftsleute, die so genannten Oligarchen, das Land nach ihrem Gusto, indem sie Politik, Medien, Polizei und Justiz beeinflussen. Nicht einmal die Anti-Korruptionsbehörde ist frei von politischer Einflussnahme. Auch das EU-Parlament stellte fest, Moldawien sei durch die Interessen der Oligarchen vereinnahmt. Das Misstrauen der Bevölkerung in die Landesführung ist gross.
Arbeitslosigkeit und Armut
Bis zur Unabhängigkeit waren viele Leute in der Landwirtschaft tätig, insbesondere in staatlichen Kolchosen. Mit dem Ende der Sowjetunion zerfielen diese Betriebe und damit verschwanden unzählige Arbeitsplätze. Manche Leute probierten es danach als Selbstversorger, andere versuchten ihr Glück in der Hauptstadt Chisinau. Viele hingegen setzten alle Hoffnung auf einen Job in Russland oder in Westeuropa. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert, insbesondere junge Leute sehen keine Perspektiven im Land und träumen nur vom Auswandern.
Da Moldawien in der Geschichte eng mit Rumänien verflochten war, haben manche Moldawier rumänische Wurzeln. Damit können sie einen rumänischen Pass beantragen, der ihnen Reisefreiheit und Zugang zum EU-Arbeitsmarkt verschafft. Danach ist der Schritt über die Grenze schnell getan. Rumänischstämmige Moldawier arbeiten zum Beispiel in Italien oder Spanien als Putzfrauen, Pflegerinnen, Bauarbeiter oder Erntehelfer, sowohl legal als auch illegal.
Für alle anderen Moldawier ist es schwieriger, doch «Arbeitsvermittler» versprechen Hilfe. Viele von ihnen agieren allerdings illegal, als Schleuser. Für ihre Dienste verlangen sie hohe Gebühren und zwingen damit Stellensuchende, Kredite aufzunehmen. Dieses System ist ein Grund dafür, dass manche moldawischen Familien hohe Schulden haben.
Die Arbeitsmigration ist enorm: In den letzten 30 Jahren ist fast jeder zweite Moldawier weggezogen, rund 40 % der Erwerbstätigen leben im Ausland. Die meisten von ihnen schicken regelmässig Geld in die alte Heimat. Diese Überweisungen sind höher als das Bruttoinlandprodukt Moldawiens und entsprechend wichtig.
Derweil sind ganze Dörfer leer, nur noch wenige Alte leben dort. Mit miserablen Renten – 50, 60 Euro im Monat – versuchen sie zu überleben. Das Geld reicht kaum zum Essen und erst recht nicht für Medikamente, Kleider, Strom und Heizung. Nicht viel besser geht es Berufstätigen. Monatslöhne von 100 oder 200 Euro sind gang und gäbe. Damit kann man keine Familie durchbringen. Die Leute leben in sehr ärmlichen Verhältnissen, in Dörfern haben nicht alle ein WC im Haus, viele holen sich das Wasser an einem öffentlichen Brunnen.
Kinder sind die Opfer
Durch die Migration lösen sich landesweit Familien auf, viele Kinder werden von den Grosseltern aufgezogen, in Heimen abgegeben oder sich selbst überlassen. Eltern wollen in der Fremde zuerst einmal selbst Tritt fassen, doch oft wird die Trennung zum Dauerzustand. Von den Eltern kommt höchstens hie und da ein Paket oder etwas Geld. Diese Kinder werden als Sozialwaisen bezeichnet, man schätzt, dass es etwa 250'000 sind. Sie führen ein trauriges, hartes Leben. Schon 10-Jährige müssen für sich selber sorgen, manchmal auch für jüngere Geschwister. Viele gehen nicht zur Schule. Manche betteln auf der Strasse oder arbeiten illegal gegen Bezahlung. Nicht selten werden solche Kinder Opfer von Zwangsarbeit, sexueller Ausbeutung oder Menschenhandel. Eines von fünf Mädchen wird verheiratet, bevor es 18 ist.
Menschenhandel
In Moldawien grassiert der Menschenhandel. Über 200 «Vermittlungsagenturen» versprechen Traumjobs im Westen. Ihr Angebot präsentieren sie mit Vorliebe in armen Regionen und im Visier haben sie insbesondere junge Frauen. Manche ihrer Versprechen entpuppen sich indes als Lügen. Abertausende Moldawierinnen enden in deutschen Bordellen.
Quellen
Moldova: How the diaspora of Europe's poorest nation keeps its economy afloat, Euronews.com, 15.11.2020
Republik Moldau – ein Land blutet aus, www.dw.com, 20.02.2019
Sie haben aufgehört zu weinen, www.faz.net, 27.04.2013
Land der Grosseltern, www.taz.de, 25.11.2016
Moldawien, www.kinderweltreise.de, 06.04.2020
Kinder in Moldawien, www.humanium.org, 30.4.2020
Ukraine, Belarus und Moldau, www.bpb.de, 30.04.2019
Moldau: Ein Staat in Geiselhaft der Oligarchen, www.arte.tv, 22.2.2019